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Amun.de: Die Frau im Alten Ägypten
Ein Bericht zur Ausstellung "Nofret - Die Schöne" von Anna Nestroy

   
NOFRET – DIE SCHÖNE 

Die Frau im Alten Ägypten

"Als im Jahr 1982 von der Ägyptischen Altertümerverwaltung an die Staatliche Sammlung Ägyptischer Kunst München der Wunsch herangetragen wurde, aus den Beständen des Ägyptischen Museums Kairo eine Ausstellung zum Thema "Die Frau im Alten Ägypten" für eine Welttournee zu konzipieren, war diese Themenwahl nicht allein durch die Fülle und die hohe künstlerische Qualität der Frauenbildnisse in der ägyptischen Kunst bestimmt, sondern ebenso durch das Wissen um die außergewöhnliche Stellung, die die Frau in der altägyptischen Gesellschaft einnahm."

Die Ausstellung wurde in den Jahren 1984 bis 1986 in München, Berlin, Hildesheim, Brüssel, Barcelona, Madrid und Genf gezeigt. Wir wollen anhand der Exponate und der Interpretationen dieser ehemaligen Ausstellung das Frauenbild im Alten Ägypten in folgenden Überschriften nachzeichnen:
Der Zitattext stammt aus dem damaligen Ausstellungskatalog : "Nofret – die Schöne", Verlag Philipp von Zabern, Mainz, ISBN 3-8053-0832-9 (Museumsausgabe)

Kritisches Vorwort:
Da war sie nun, aktiv und selbstbewusst, intelligent und atemberaubend schön – aufgestellt vor schwarzem Hintergrund, umgeben von Glas, ausgeleuchtet von weichem Scheinwerferlicht – und dennoch durch nichts aus der Ruhe zu bringen – die Frau im Alten Ägypten. Dargestellt u.a. im Ägyptischen Museum zu Berlin, anhand von Grab- und Tempelfunden, entliehen aus dem Ägyptischen Nationalmuseum in Kairo und zusammen mit hauseigenen Kunstschätzen. Die Gestaltung von Reliefs und Plastiken weckt durchaus nicht nur künstlerisches Interesse, sondern spiegelt auch ein Großmaß an Lebensrealität der Ägypterin im Altertum wider. Die Ausstellung enthielt Exponate, die einen Zeitraum von über 2000 Jahren abbildeten, in denen politische und ökonomische Veränderungen das Bild dieser Gesellschaft stetig wandelten. Allgemein gültige Aussagen sind also schwierig, zumal nur die privilegierte Oberschicht es sich leisten konnte, den aufwendigen Ahnen- und Totenkult zu betreiben, dem wir diese Funde verdanken.

Die Darstellung im Katalog geht dessen ungeachtet von einer recht subjektiven Interpretation der Exponate aus, wie die Verantwortlichen selbst eingestehen, und versucht ein Portrait der Frau im Alten Ägypten zu rekonstruieren, das sie als gleichberechtigte Partnerin ihres Ehemannes ausgibt, um ihr darüber hinaus eine bevorzugte Stellung innerhalb der Ägyptischen Gesellschaft zuzumessen. Dies wird durch den Augenschein untermauert.

Die Ausstellung präsentierte die Frau als Göttin, Priesterin, Königin, Gattin und Mutter, aber auch als Handwerkerin. Funde von der übrigen Bevölkerung (den übrigen Frauen), die ihr Leben in großer Armut oder sogar als Sklavinnen fristen mussten, gibt es nicht, sie blieben unberücksichtigt. Die Eindeutigkeit, mit der Aussagen in Zusammenhang mit der Stellung der Frau im Katalog getroffen wurden, kann also nicht ohne weiteres übernommen werden. Im Vergleich mit der Tutanchamun-Ausstellung 1980 in Berlin, die die Stellung der Frau schlicht negierte, war es sicher ein Fortschritt, dass diese fünf Jahre später bewusst thematisiert wurde und die Hinweise auf die Epoche des Matriarchats als solche anerkannt wurden. Eine richtige und differenzierte Interpretation steht allerdings noch immer aus.

Dennoch wollen wir uns nun den Aussagen im Katalog zuwenden und die Interpretationen vorstellen, die zumindest für eine Ober- und Mittelschicht aus den Exponaten bis zum heutigen Tage ableitbar erscheinen.

Mann und Frau

Die Exponate, die den Rang der Frau am stärksten in Richtung Gleichberechtigung zu belegen versuchten, sind Darstellungen, in denen Mann und Frau zusammen abgebildet sind. Aber auch hier scheint die Aussage des Katalogs, die Frau sei immer aktiver, zu eindeutig. Wenn sie mit umarmender Geste die Hand auf die Schulter oder um die Taille des Mannes legt, muss dies nicht unbedingt eine beschützende Haltung der Frau gegenüber ihrem Mann symbolisieren, sondern könnte ebenso bedeuten, dass die Frau ihren Mann in den wichtigen Angelegenheiten "vorschiebt", ihn gewähren lässt. Die Ehe wurde als Ideal angesehen, wobei es dem Mann vorbehalten war, außer Haus einer Tätigkeit nachzugehen, während die Frau im Haus uneingeschränkte Rechte besaß. Ihre Hausarbeit soll im Bewusstsein der Altägypter wichtiger, ehrenvoller und angesehener gewesen sein, als die Arbeit der Männer außerhalb des Hauses. Ihr unterstand das Familienvermögen und dessen Verwaltung.

Auch in den Hieroglyphen wird von der selbstverständlichen Gleichberechtigung beider Geschlechter gesprochen, ja sogar von der einzig möglichen Harmonie und Vervollständigung durch die Verbindung zwischen Mann und Frau. Ägypter aller Gesellschaftsschichten ließen sich häufig zusammen mit ihrer Frau abbilden. Die Einehe war populär. Durch die hohe Sterblichkeitsrate heirateten viele Männer aber ein zweites oder sogar drittes Mal. Auf den Reliefdarstellung wurde den verstorbenen Frauen die Ehre zuteil, weiterhin abgebildet und genannt zu werden. Mehrfachvermählungen gab es vorwiegend aus politischen Gründen in den Königshäusern. Die Nebenfrauen, oft Prinzessinnen genannt, lebten in einem Harem. Ebenso wie das Vorurteil der Polygamie zählt die Geschwisterehe zu den eher seltenen Erscheinungen im Alten Ägypten. Auch diese Form ist nur in Königshäusern zum Schutz der Dynastie zu finden – im ägyptischen Volk galt die Heirat unter Geschwistern als unüblich. Zudem führt in diesem Fall auch der Sprachgebrauch in die Irre, da sich die Paare oft auch als Bruder oder Schwester bezeichneten – eine Anrede, die zwischen Liebenden gebräuchlich war – in dem Sinne "Schwester" und "Bruder" im Geiste. Ebenso ist zu vermuten, dass es sich bei der Heirat zwischen königlichem Vater und seinen Töchtern auch um fiktive Ehen aus dynastischer Notwenigkeit handelte und um den Töchtern den Priesterinnenstatus zu gewährleisten.

Die Ehe galt als soziales Ideal. Das für unsere Verhältnisse sehr niedrige Heiratsalter richtete sich nach den finanziellen Möglichkeiten der Ehepartner. Bezeugt sind auch Eheschließungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher sozialer Schichten, Ausländern, Vollbürgern und Sklaven oder Nachkommen von Gefangenen.

Die außereheliche Beziehung wurde schon allein wegen der Gefahr illegitimer Nachkommen geächtet. Die Kinder, die einer solchen Beziehung entstammten, galten sozial als deklassiert.

Auch Scheidungen auf Wunsch beider Partner waren möglich, galten vorwiegend als güterrechtliches Problem. Die Scheidung wurde privat vollzogen, ebenso wie die Eheschließung, ohne staatliches oder religiöses Ritual, es gab keinerlei Feierlichkeiten.

Zweck der Ehe war die Sicherung des eigenen Lebens durch die Kinder, diese sollten später auch den Totenkult der Eltern betreiben. Die Pflege des Ahnen- und Totenkultes beruht auf der direkten Verbindung im Bewusstsein der Altägypter von Herkunft, Sein und Tod. Dabei glauben die Nachkommen daran, dass ihre Lebensqualität vom Grad der Verehrung ihrer Ahnen abhängig ist.

Mutter und Kind

Die hervorgehobene Rolle der Frau wird ebenfalls mit ihrem Muttersein und der wichtigen Stellung der Nachkommenschaft begründet. Die Schwangerschaft steht unter besonderem göttlichen Gebot – das werdende Leben im Mutterleib soll vor jeglicher Bedrohung geschützt werden. Dafür sorgt die Göttin Thoeris, deren schwangerer Nilpferdleib auf Löwentatzen steht und einen Krokodilschwanz trägt. Die Zeit der Schwangerschaft, Geburt und frühesten Kindheit ist eine Domäne der Frau – der Mann scheint sogar in seiner Rolle als Vater dabei ausgeschlossen. Die Frau zieht sich vor der Geburt in ein Nebengebäude des Hauses zurück und verbringt dort auch die ersten Wochen nach der Niederkunft mit ihrem Kind. Schon während der Schwangerschaft kommen ihr Pflege, medizinische Maßnahmen, gemischt mit religiösen Praktiken zugute. Im Wunder der Geburt erlebten die Altägypter die Präsenz des Göttlichen. Ebenso zum Schutz des Neugeborenen dienten unzählige Amulette, Zaubersprüche, Stelen, die dem Kind ein glückliches Schicksal bescheren sollten.

Trotz aller Bemühungen blieb jedoch die Kindersterblichkeit – zumal bei der einfachen Bevölkerung – sehr hoch. Da Kinderlosigkeit den Zweck der Ehe ad absurdum führte, galt Kinderlosigkeit auch als anerkannter Scheidungsgrund, wobei die "Schuld" dafür nicht nur bei der Frau gesucht wurde.

Die Verehrung der Mutterschaft wird am eindrucksvollsten in den Darstellungen des großen Amun-Tempels in Karnak vorgeführt: Amun-Rês göttliche Gemahlin Amaunet (Amaunet ist eine Femininbildung seines Namens Amun) bleibt im Bewusstsein der Altägypter eher unbedeutend, dafür ist die durch einen großen Tempelkomplex ausgezeichnete Gemahlin Mut (das Wort für Mutter) die Personifizierung der Mutterschaft und Amun-Rê unmittelbar zur Seite gestellt.

Die rechtliche Stellung der Frau

Da die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau so selbstverständlich war, haben spätere Geschichtsschreiber, besonders aus dem antiken Griechenland oder Rom, sogar von einer matriarchalischen Gesellschaft gesprochen. Ausgehend von der in ihren Ländern zur damaligen Zeit vorherrschenden Praxis mag ihnen vieles dahingehend erschienen sein. Heutige Wissenschaftler gehen aber nicht mehr von einer vorrangigen Stellung der Frau, sondern eben von einer gleichberechtigten aus.

Da auch Ehen zwischen Angehörigen unterschiedlicher sozialer Schichten geschlossen wurden, war es auch üblich dass ein rangniederer Ehemann zu seiner Frau in ihr Haus zog. Die Vermögenslage, erbrechtliche Angelegenheiten und Versorgungsansprüche waren der Inhalt von sogenannten Ehe-Urkunden. Die Frau brachte eine Art Aussteuer und eine Mitgift mit in die Ehe. Dieses Vermögen galt als eine Art Vorschuss für den Ehemann, den Unterhalt der Frau zu sichern. Er selbst musste sich verpflichten, sein ganzes Eigentum für die Familienversorgung aufzuwenden.

Bei einer Scheidung, erhielt die Frau ihre Aussteuer, die Mitgift, ein Drittel des Familienvermögens und hatte Anspruch auf Unterhalt. Das führte dazu, dass ein geschiedener Mann wirtschaftlich große Einbußen zu verkraften hatte. Die geschiedene Frau hingegen musste sich keine finanziellen Sorgen machen.

Sie war unabhängig, geschäftsfähig und konnte vor Gericht selbständig Klage führen und ihr Vermögen ohne Einverständnis ihres Gatten an die Kinder vererben.

Besonders die starke Position in Fragen der Erbschaft und des Vermögens mutet sogar für heutige Verhältnisse erstaunlich modern an. Die Gleichberechtigung der Geschlechter war in der altägyptischen Gesellschaft so im Bewusstsein der Menschen verinnerlicht, dass die Frauen nie um ihre Rechte kämpfen mussten.

Die generelle Gleichrangigkeit von Mann und Frau leugnet dabei aber nie die geschlechtspezifischen Unterschiede. Die Frau ist – außer von Schwerstarbeit – von keinem Beruf ausgeschlossen. Belegt sind Schreiberinnen, Vorsteherinnen, Wesirinnen, Richterinnen, Schatzmeisterinnen. Frauen sind gebildet, besuchen die Schule, können schreiben und lesen. Im allgemeinen jedoch ist der Verwaltungsbereich eher eine Domäne der Männer. Dennoch sind Frauen in allen Berufsgruppen zu finden – auch in der Politik, sei es als Regentin oder Beraterin des Königs.

Da dem häuslichen Bereich eindeutig die höhere Wertigkeit zukam, ist die uneingeschränkte Vorrangstellung der Frau als Herrin des Hauses besonders hoch einzuschätzen.

Priesterinnen

Frauen dienten als Priesterinnen seit alters her vornehmlich den Göttinnen wie beispielsweise Hathor und Neith. Aber auch der Totendienst gehört zu den religiösen Pflichten. In den wohlhabenden Familien galt es nahezu als selbstverständlich, dass Frauen priesterliche Funktionen ausübten und zumindest dem Titel nach ein religiöses Amt bekleideten. Seit der frühen 18. Dynastie (1550 v. Chr.) übernahmen Königinnen und Prinzessinnen die Rolle der sogenannten "göttlichen Gemahlin". Dem Staatsgott Amun-Rê wurde eine priesterliche Gemahlin zur Seite gestellt. Sie ist Gottes Hand und hat dafür zu sorgen, dass die Weltordnung im Gleichgewicht bleibt. In späteren Jahrhunderten verpflichteten sich sogar die Töchter des Königs als Gemahlinnen des Amun, sich nie zu vermählen und ihr Leben lang jungfräulich dem Gott zu dienen. Ihre Nachfolge wurde durch Adoption sichergestellt. Sie hielten Hof wie wirkliche Herrscherinnen mit einen repräsentativen Hofstaat, ihre Namen wurden verewigt. Die Frauen schlugen damit eine Brücke zwischen den Menschen und dem Staatsgott Amun, dessen größte Verehrung sich in dem riesigen Tempel von Karnak widerspiegelt.

Die Frau am Ägyptischen Königshof

Der König als höchster Repräsentant der Menschheit wurde von seiner Königin, die zugleich in ihrer priesterlichen Eigenschaft Gottesgemahlin war, unterstützt und beraten. Ihr kamen große Einflussmöglichkeiten in politischen Fragen zu sowie als Mutter des Thronfolgers oder vorübergehende Regentin sogar Entscheidungsbefugnisse. Dennoch haben die Frauen sobald es möglich war, einem männlichen Partner oder ihrem mündig gewordenen Sohn den Thron überlassen, denn nach altägyptischer Vorstellung lag die eigentliche Aufgabe für die Frauen darin, für das Wohl ihrer Familien zu sorgen und die Nachkommenschaft. Aus den Überlieferungen geht hervor, dass die Frauen eher durch ihre Persönlichkeit beeindruckten wie auch kulturelle Verdienste den weiblichen Mitgliedern des Hofes zuerkannt wurden, während der Herrscher vornehmlich als Garant der Herrschaft und als Träger gottgegebener Macht funktionieren musste.

In späteren Jahren wurde der Harem zum Zentrum des höfischen Lebens. Zugleich wurden immer mehr ausländische Haremsdamen aufgenommen – nicht zuletzt auch aus Gründen einer "Heiratspolitik". Allerdings führte die "Überfremdung" bei der eher polygam geführten ehelichen Tradition der Ägypter zwangsläufig zu Intrigen und dynastischen Problemen, die sich in Haremsverschwörungen äußerten und denen z.B. Ramses III. zum Opfer fiel. 

Viele der Haremsdamen wurden allerdings auch an hochrangige Beamte vergeben, so dass zwischen dem Königshof und der Beamtenschaft fast familiäre Verbindungen entstanden, durch die sich der Herrscher die Loyalität seiner Untergebenen sichern konnte.

Bei aller Politik ist jedoch zu bedenken, dass die Lobeshymnen der Herrscher auf ihre Gemahlinnen so individuell wie emotionell anmuten, so dass wir darauf hoffen können, dass auch gefühlsmäßige Aspekte in der altägyptischen Ehe eine gewichtige Rolle spielten.

Alltagsleben

Die Frauen waren in der Regel "Hausfrauen" und sorgten für das Wohl ihrer Familie. Dieser Aufgabenbereich brachte ihnen großes Ansehen. Ihre "weiblichen Fertigkeiten" wurden auch am Königshof besonders gewürdigt: Weberinnen, die kostbaren Stoffe wirkten, bekamen kostbare Halsketten zur Entlohnung – eine zusätzliche Anerkennung und Wertschätzung für ihre Arbeit. Spinnerinnen und Weberinnen, Friseusen und Perückenmacherinnen hatten ihren festen Platz in vornehmen Haushalten und am Königshof. Die Webkunst untersteht sogar einer Schutzgöttin. Mode, Schmuck, Kosmetik und Haarpflege wurden ohnehin zur Domäne der Frauen. Ihr Spezialistentum brachte manche Frau als königliche Bedienstete an den Hof. Neben diesen Tätigkeiten arbeiteten Frauen auch auf Gehöften und in der Landwirtschaft. Ausgeschlossen war sie allein von schwerer körperlicher Arbeit. Darüber hinaus war es eher ungewöhnlich, wenn eine verheiratete Frau zusätzlich außer Haus einem Beruf nachging, zu dem ihr auch die Zeit fehlte. So geht die Forschung davon aus, dass es sich bei den erhaltenen Handwerksdarstellungen entweder um sehr junge oder unverheiratete Frauen handelte, die anderen Tätigkeiten nachgingen, weil sie sich nicht oder noch nicht um eine Familie kümmern mussten.

Musik und Tanz

MusikerInnen mit ihren Flöten, Trompeten, Harfen und Lauten sowie TänzerInnen und SängerInnen wurden im Alten Ägypten hoch geschätzt. Ihre Anwesenheit bei Festen, Kultveranstaltungen, ihre zahlreichen Abbildungen auf Reliefs und Skulpturen als Grabbeigabe beweisen dies. Die Frauen trugen dabei Langhaarperücken und durchsichtige Gewänder.  Der kultische Tanz öffnete die Zuschauer für die religiöse Zeremonie, stimmte sie ein. Die Tänze waren akrobatisch, ekstatisch. Musik und Tanz wurden im Harem professionell unterrichtet. Sängerinnen, Tänzerinnen und Musikerinnen waren speziell für ihre Aufgaben ausgebildet und unterstanden der Verwaltung des Harems. Bes, der Schlafzimmergott, der die Frau in ihrem häuslichen Bereich schützen sollte, war auch Schutzgott der Musik und des Tanzes und wurde oft selbst als Tänzer oder Musiker dargestellt. Doch auch die Göttin Hathor umgab sich mit Musik und Tanz. 

Das wichtigste Rhythmus-Instrument waren Kastagnetten, die paarweise benutzt wurden. Die Tempelsängerinnen widmeten sich hauptsächlich der Lobpreisung des Amun und waren sehr berühmt. Die Sangestexte, Bewegungen und Melodien bezogen sich jedoch nicht nur auf die religiöse Überhöhung, sondern beinhalteten auch eine sexuelle Botschaft. Fruchtbarkeit und Fortpflanzung dienten dem göttlichen Konzept und auch im Augenblick des Todes wurde die Vergänglichkeit in der Zeugung neuen Lebens heraufbeschworen. 

In den Darstellungen beider Geschlechter beim Tanz wirken die Männer reservierter, die Frauen emotionaler, in heftigeren Bewegungen ihren Gefühlen Ausdruck verleihend. 

Kosmetische Künste

Die Ägypterinnen und auch die Ägypter wandten viel Zeit für Körperpflege, Düfte  und Kosmetik auf. Dabei diente diese Beschäftigung nicht nur der Verschönerung, sondern beugte auch Haut- und Augenkrankheiten vor. Kosmetik war nicht nur Schminke, sondern auch Hautschutz bei einem trockenen, heißen Wüstenklima. Sogar die Götterfiguren wurden sorgsam gewaschen und bemalt.  Wieder betonte die Verschönerung des Menschen seine Bereitschaft, sich Gott oder dem anderen Geschlecht zu nähern. Beides war gottgefällig. 

Typisch und auf vielen Wandmalereien sichtbar ist der breite schwarze Lidstrich und die zur Schläfe hin verlängerte Augenbraue. Dieses so typisch ägyptisch wirkende Auge ist in der Hieroglyphensprache das Symbol für Schönheit und gleichzeitig Bestandteil des heiligen Horusauges, des beliebten Schutzamulettes für die Unversehrtheit des Leibes. Die Nase ist das Zeichen für guten Duft und Freude, der Mund für die Sprache. 

Eine besonders große symbolische Bedeutung hatten auch Frisur und  Perücke. Eine Frau, die ihre Perücke aufsetzte, oder ihr Haar kunstvoll ordnete, machte sich bereit, zu verführen. Das natürliche Haar wurde von Frauen und Männern meistens recht kurz getragen, aufgrund der Hitze und um nicht bei der Arbeit zu behindern. Bei offiziellen Anlässen, Feiern  und Kultzeremonien trug die soziale Oberschicht, die es sich leisten konnte, in der Öffentlichkeit Perücken. Meistens bestanden diese aus Menschen-, selten aus Tierhaar oder Pflanzenfasern. Im Gegensatz zu den Perücken der Männer galt die der Frau eindeutig als Symbol für ihre erotische Ausstrahlung und ihre Bereitschaft zur Hingabe.

Die vielen Grabbeigaben an kosmetischen Gerätschaften wie Spiegel, Schminktiegel, Kämme, Salbgefäße, Schminkpaletten, Kosmetikkästchen und Salblöffel waren jeweils reichhaltig verziert - ein weiteres Indiz dafür, dass der gesamte Bereich der Kosmetik erotischer und sexueller Absicht diente und dass er damit lebensspendende Bedeutung besaß.

Erotik

Dezent und hintergründig künden die Darstellungen auf Alltagsgegenständen, Reliefs und Wandmalereien vom Verhältnis der Alten Ägypter zur Erotik. Zum Teil von der Kunst- und Kulturgeschichte tabuisiert, entschlüsseln erst heutzutage die Forscherinnen und Forscher, was sich auf so manchem Exponat über das erotische Zusammentreffen sagen lässt.  Dabei darf nicht vergessen werden, dass die uns überlieferten Kunstgegenstände ja Bestandteil des Totenkultes waren und sich allein aus dem Grunde eventuell beim Thema Erotik bescheidener ausnehmen. Aber die erotischen Darstellungen sind gerade durch ihre Zurückhaltung sehr spannungsreich und sinnlich.  In den häufigen Mann-Frau-Darstellungen ist es zumeist die Frau, die die Arme in Richtung ihres Gatten legt, ihn umarmt, stützt, berührt. Sie ist die aktivere, zugewandtere Person. Die Frau scheint um den Mann zu werben. 

Kleine weibliche Figuren wurden ebenfalls recht häufig in den Gräbern entdeckt. Früher als sogenannte "Konkubinen" bezeichnet, vermutete man(n), sie würden Männern zur Freude auf die Totenreise mitgegeben. Da diese Figuren aber auch in Gräbern von Frauen gefunden wurden, ist wohl die Annahme richtiger, dass es sich um Fruchtbarkeitssymbole handelt, zumal einige von ihnen auch als Mutter mit Kind dargestellt waren.

Im Gegensatz dazu wurde  in der altägyptischen Literatur das Glück der Liebenden ungehemmter geschildert. Es gibt auch Beispiele, in denen die Männer vor der Verführungskunst der Frauen gewarnt wurden. Aber die positiven und lebenserhaltenen Schilderungen als Lebensfreude und Lebensquell überwogen bei weitem. 

Kleidung und Schmuck

Frauen und Männer wurden aufgrund des heißen Klimas zumeist spärlich bekleidet dargestellt. Ebenso sollten die Kleider bei der Arbeit nicht hinderlich sein. Es gab auch sogenannte Arbeits- oder Dienstkleidung, wodurch die TrägerIn ihre Funktion oder ihren Beruf optisch preisgab. Oftmals waren die Brüste nicht bedeckt und zu besonderen festlichen Gelegenheiten trugen die Ägypterinnen gern das plissierte, hautenge, knöchellange weiße Frauengewand, welches die Figur besonders betonte. Die Götter waren zumeist ebenso dargestellt, was darauf schließen lässt, dass damit der Aspekt der Fruchtbarkeit hervorgehoben werden sollte. 

Kleidung galt auch als Statussymbol: je höher der gesellschaftliche Stand einer Frau, desto so komplizierter und hinderlicher war ihre Kleidung. An den Beinen konnten die Kleider so eng geschnitten sein, dass es kaum möglich erscheint, dass die Trägerin damit gehen konnte. 

Reichtum und Adel wurden auch durch Schmuck betont: Amulette, Pektorale, der ägyptische Perlenkragen, Diademe, Armreife, Schmuckgürtel und Ketten waren die beliebtesten Attribute zur Kleidung. Der Schmuck, vorwiegend motivreich gestaltet, unterstrich die Lebensfreude und Verbindung zu den Göttern. Der Perlenkragen stellte einen farbenprächtigen Sonnaufgang dar; die Blütendiademe zeigten die Sonne auf ihrem täglichen Rundweg und somit die Trägerin als Teil des Universums.

Die Morgentoilette, das Anlegen der Kleidung und des Schmucks gehörten zum gottgefälligen Ritual, welches auch an den Götterbildern vollzogen wurde. 

Aufgrund der Wichtigkeit dieser Attribute gewann auch die Pflege der Kleidung und des Schmucks an Bedeutung. Die Bediensteten, die sich diesen Aufgaben widmeten, waren hoch geachtet. 

Die kultivierte Lebensart der Ägypterinnen manifestierte sich deutlich in ihrem vornehmen, eleganten Stil. Der Frau kam als Schöpferin  und Trägerin dieser Mode eine bedeutende kulturtragende und zivilisatorische Aufgabe zu. 

Göttinnen

In der Götterwelt spiegelte sich die reale Politik im Alten Ägypten wider. Die Unterteilung in Gaue, die gesellschaftlichen Hierarchisierungen und wichtigsten Berufe waren auch in der Götterwelt präsent. Während der Jahrtausende und innerhalb des Landes wurden die Göttinnen in unterschiedlicher Intensität verehrt. Amun-Rê war der oberste Gott, der Gott der Götter - sein irdisches Pendant der Pharao. Ebenso wurde die menschliche Familienstruktur in die Götterwelt übertragen. Ptah und Sachmet sind die göttlichen Eltern von Nefertem in Memphis, Horus und Hathor die von Ihi in Dendera und Edfu, Amun-Rê und Mut zeugten Chons als Abkömmling und schließlich bildeten Isis, Osiris und Horus eine Familie. Aufgrund der hohen Stellung der Frau in der ägyptischen Gesellschaft wurden gerade weibliche Gottheiten in einigen Landesteilen als höchste Götterinstanz verehrt. Es scheint naheliegend, dass, da die Ägypter keine imperialistische Eroberungspolitik ausübten, man sich in vielen Gegenden eher von einer Göttin als von einem Gott gut repräsentiert sah. Noch ein weiteres Indiz unterstreicht die große Rolle der Göttinnen - die gerade in Bezug auf Leben und Tod, Vergänglichkeit und Ewigkeit ihren Platz in der Götterwelt einnahmen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass in diesem Zusammenhang Göttinnen und nicht Götter Funktionen übernahmen, die zunächst als gar nicht weiblich erschienen. Kampf und Krieg unterstanden, wenn sie die politische Ordnung wiederherstellen sollten, der Göttin Sachmet. Wenn das Land bereits durch Feinde bedroht war, schützte Astarte das Land vor den fremden Tyrannen. In diesen Funktionen wurde deutlich, dass die weiblichen Tugenden, nämlich die Schutzbefohlenen vor Gefahr zu schützen, selbstverständlich von Göttinnen repräsentiert wurden. Alles lebenserhaltende und -spendende sowie die Neuerschaffung alles Lebens - auch nach dem Tode - oblagen der Interpretation des Weiblichen. Selbst der oberste Gott wurde von Göttinnen geführt als er aus der Geborgenheit des mütterlichen Schutzes heraus Kraft und Mut  für sein Handeln fand.

Einige Göttinnen überschnitten sich in ihren Funktionen, vermischten sich in ihrer Bedeutung über die Jahrtausende und je nach Region sowie durch die jeweils moderne staatliche Religionspolitik der amtierenden Pharaonen. Dadurch waren auch ihre Attribute und Darstellungen oft ähnlich oder gleich. 

 

Die wichtigsten altägyptischen Göttinnen:
Anuket von Elephantine Garantin der Südgrenze des Ägyptischen Reiches bei Assuan
Astarte Kriegsgöttin, Befreiungskämpferin, Helferin in der Not
Bastet die Löwengöttin, oft auch als Katze dargestellt, beschützte Mutter und Kind, verlieh Fruchtbarkeit
Hathor von Dendera Göttliche Regentin des ganzen Ägyptischen Reiches, auch Totengöttin
Isis Muttergottheit, Göttin der Kunst, Kultur, Zivilisation und Religion, Gemahlin des Osiris
Mut Gemahlin des  Amun (verschmolz zuweilen mit Sachmet)
Nechbet von Elkab Göttin des politischen Zentrums in Unter- und Oberägypten
Neith von Sais Urgöttin, "Mutter  der Mütter" wurde hauptsächlich im Nildelta verehrt
Nephthys Schwester der Isis, Herrin des Hauses, verkörperte die Geborgenheit der Familie, des Stammes, des Staates
Nut Himmelsgöttin, die am Abend die Sonne verschluckte und am Morgen neu gebart, ähnlich wie Hathor empfing auch sie die Toten und begleitete sie auf ihrem Weg
Sachmet lebensspendende, kriegerische Beschützerin Ägyptens, Gemahlin den Ptah, mutig und unerschrocken
Satet Garantin der Südgrenze des Ägyptischen Reiches bei Assuan, so wie Anuket
Seschat Herrin der Schrift
Uto von Buto Göttin des politischen Zentrums in Unter- und Oberägypten, so wie Nechbet


Die Frau in der Kunst

Gerade bei den weiblichen Darstellungen sprüht die Altägyptische Kunst vor Emotionalität. Die auf uns heute oft starr und frontal wirkenden Plastiken zeigen überwiegend an den weiblichen Figuren Bewegung, Aktion, Gefühl, so dass bereits die individuelle Prägung der Frau sichtbar wird. Als Trauernde, Tanzende und Liebende geht die Geste von der Frau aus. In den Paardarstellungen zeigt sich nur die Frau zugewandt, zwar zurückhaltend, dadurch aber auch mehrdeutig und geheimnisvoll, während der Mann nahezu immer emotionslos, bewegungslos verharrend seinen Platz einnimmt. Der Mann bleibt Funktionsträger - idealistisch überhöht, unantastbar. Die Frau darf Mensch sein, verleiht ihrer individuellen Persönlichkeit Ausdruck. Der Unterschied zwischen Mann und Frau gleich dem zwischen Individuum und Masse, Bürger und Staat.

In einer Epoche, in der die Frau in höchster staatlicher Position dominierte, in der Amarnazeit, orientierte sich das Menschenbild einer ganzen Generation am individuellen Aussehen der Königin  Nofretete. Die Grenzen zwischen Mann und Frau in der Kunst wurden aufgehoben, so dass bei Hofe und im Volk das Portrait der Ägyptischen Königin als das verbindliche Erscheinungsbild aller Menschen galt.

Anna Nestroy, Berlin 13.02.2001